Gleißendhelle Nacht

And it's hard
to figure out what's real
and what's
pretend.
- Trent Reznor

Die kleinen bunten Feen
liegen leise lauschend da;
alte Märchen wurden wahr,
in der gleißendhellen Nacht,
erhellt von groben Händen -
Schwarzlicht an den Wänden.

Die stolzen Sonnenblumen
neigen ihre Köpfe hoch,
werden durch das Neon groß;
der Generator brummt still
und die Feen schwirren leis’ -
im strahlenden Lichterkreis.

Die Buntheit schwindet ganz
aus den schamroten Träumen;
Angst, geflügelt auf Bäumen,
dem Märchenbuch entsprungen,
freut sich auf Genosse Tag,
der manch Monster bringen mag

Die Sonne kriecht rasch davon,
hat ausgeblasen all ihr Licht;
in Vasen, dicht an dicht,
stehen die Nachtkerzen stumm,
wie die Wächter der Toten -
Sonnengelb klebt am Boden.

Die Nacht zieht sich schnell zurück,
Schweigen legt sich nieder,
die Feen werden gleich müder,
die Sonne schließt die Augen,
Dunkelheit zieht rasch herauf -
der Tag steht jetzt taumelnd auf.



Anmerkung: Nachtkerzen sind eine Gattung der Narchtkerzengewächse. Die meisten Arten werden durch nachtaktive Insekten bestäubt und duften daher nur nachts.

VANESSA LELLIG / dornenweich

SEPSIS

Fäulnis schleicht sich ein,
in den toten Körper,
in welke Adern,
vertreibt das Leben.

Der Tod kommt leise,
verdirbt den Lebenssaft,
verdirbt das rohe Fleisch,
wird nie mehr gehen.

Ein bitt’rer Fäulnistrank
auf den offnen Lippen,
auf der tauben Zunge,
vergiftet die Seele.

Todesreigen tanzen,
am dunklen Sterbebett,
am weiten Fenster,
letzter Tanz in Sepsis.

Fäulnis zerstört mich,
meinen blassen Körper,
meine blauen Venen,
entlässt das Leben.

FARBE TANZEN LASSEN

Gedankenlos
verloren in Bewegung bloß;
die Augen wie ein rastlos’ Tier,
Schöpfung aus dem Nichts,
auf weiße starre Reinheit.

Strebend immer weiter,
dem Triebe still erlegen,
seine Seel’ in Stückchen geben;
wie ein Gott im Kleinen,
Herr in der papiernen Welt.

Sachte über Glätte gleiten,
hinein in tiefe Weiße,
Liebe zu der raschen Tat,
die Eigenheit schon hat
und sich windet unter ihm.

Kraftvoll in die Farbe tauchen,
sich zum Ende hastig malen,
bis alles lebhaft tanzt
und ihm entweicht ein Staunen
- durch die Räume geht ein Raunen.

BRAUCHEN

Eine Murmel kreist
in meinem Kopf
rundherum, herum,
rund, rund,
rund...
kreisend nach unten,
klatscht in die
rechte Herz-vor-kammer.

Blutkörperchen
tanzen fröhlich
um sie herum,
um sie, um sie,
um sie herum...
immer schneller,
pulsierend, pochend –
in-ten-siv.

Tränen schießen
so vernichtend
in die Augen mir,
hinein, hinein,
hinein...
ich brauche dich,
jetzt, bald, ja!
für im-mer.


VERLASSEN

oder: Liebe Trauer, liebe Wut!

Wortlose Wut
steigt in mir auf.
Tiefe Trauer
türmt sich auf.

Wenn ich auch
nichts fühlen will,
kommen sie,
in aller Still’,

Die Gefühle, die
mich fühlen lassen,
die Trauer, die Wut.
Ich kann nur hassen.

Blanker Hass, weil
du mich verlassen hast.
Verzweifelter Zorn, weil
du mich so traurig machst.